Arbeitsbedingungen in Textilfabriken: Für mehr Transparenz

Arbeitsbedingungen in Textilfabriken: Für mehr Transparenz

Die meisten Textilien werden in Billiglohnländern produziert. Dabei kommt diese Bezeichnung nicht von ungefähr: Tatsächlich ist das Lohnniveau so niedrig, dass es nicht zum Leben reicht. Und für solche Arbeitsbedingungen müssen wir nicht einmal weit reisen!

Um nähere Einblicke zu bekommen, werfen wir also einen Blick hinter die Kulissen:

© Sina Spindler

Arbeitsbedingungen der Textilarbeiter in Europa 

Um widrigen Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie zu begegnen, müssen wir leider nicht so weit reisen, wie angenommen. Einige Unternehmen setzen für die Produktion ihrer Ware auf osteuropäische Länder wie Rumänien oder Bulgarien. 

Der Vorteil? Ein europäisches Label mit günstiger Produktion 

Zwar gelten hier europäische Sicherheits- und Gesundheitsstandards, aber um die Kosten für die Produktion allerdings möglichst gering zu halten, kommen sogenannte Produktionsquoten Systeme mit Stunden Normen zum Einsatz. 

Nach diesem System werden die Arbeiter nach Leistung bezahlt, die an Stunden Normen gemessen werden. Das bedeutet, dass jeder Arbeitsschritt in der Produktion zeitliche Obergrenzen hat. Eine Näherin muss eine Hosennaht in maximal 5 Sekunden gesetzt haben. Braucht sie 6 Sekunden, arbeitet sie nicht mehr in der Norm. Die zeitlichen Obergrenzen für die verschiedenen Arbeitsschritte sind so knapp bemessen, dass ein Arbeiter im Schnitt nur 60% der Tagesaufgaben ausführen kann. 

Näherinnen bei der Arbeit entlang der Textilen Lieferkette

Wieso lokal begrenzte Arbeitsstandards keine Lösung sind

Bessere Arbeitsbedingungen und ein höheres Lohnniveau sind gleichzeitig auch höhere Produktionskosten. Die höheren Produktionskosten schlagen sich in höheren Produktpreisen nieder. 

Dahingehen steht in der Modeindustrie „Fast Fashion“ allerdings für niedrige Produktpreise und Gewinnmaximierung für die Firmen. Deshalb versuchen viele Firmen weiter, möglichst günstig zu produzieren.

Solange nur in einzelnen Ländern höhere Arbeitsstandards durchgesetzt werden, bleiben die verschiedenen Probleme der globalen Textilindustrie bestehen. Sie verlagert sich nur

Um sich von Arbeitsbedingungen zu distanzieren und insgesamt fair und nachhaltig zu produzieren, haben Unternehmen die Möglichkeit, ihre Produktionsbetriebe zertifizieren zu lassen. Hierbei spielt der Punkt der Eigenverantwortung eine große Rolle, denn ohne die stetige Kontrolle der Unternehmen ist es fast unmöglich, die Einhaltung der Sozialstandards durchzusetzen. 

Hier findest Du eine Reihe der Siegel für höhere Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie.

Beginn einer globalen Debatte um Arbeitsbedingungen

24. April 2013. 

Mehr als 5.000 Arbeiterinnen und Arbeiter befinden sich an ihrem Arbeitsplatz im Fabrikkomplex „Rana Plaza“ in einem Vorort von Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch. Aufgrund von Rissen im Gebäude, sollte es bereits am 23. April gesperrt werden, doch die Fabrikbesitzer schenkten dem keine Beachtung. 

Die Menschen wurden gezwungen, ihre Arbeit fortzusetzen

Am 24. April 2013 um 9:00 Uhr stürzte das Gebäude ein und begrub tausende Textilarbeiter/innen unter sich. Bei dem Unfall starben über 1.000 Menschen und noch mehr Arbeiter wurden verletzt. Dabei werden viele Familien noch ihr Leben lang mit den Folgen zu kämpfen haben.

Absicherungen gegen die Folgen von Arbeitsunfällen existierten von Seiten der Arbeitgeber nicht.

Rana Plaza Einsturz, Arbeitsbedingungen im Wandel

Die Umstände der Arbeitsbedingungen

Seitdem steht das Unglück um Rana Plaza für die skrupellose Ausbeutung der Arbeiter in der Textilindustrie. Seitdem lenkt die mediale Aufmerksamkeit den Blick auf die Arbeitsbedingungen:

Unterdurchschnittliche Löhne, Arbeitszeiten von 18 Stunden ohne Freizeit und ungeschützter Umgang mit Chemikalien steht an der Tagesordnung

Während für uns Arbeitsverträge, Versicherungen, Rente, Mutterschutz oder Urlaubsansprüche eine Selbstverständlichkeit sind, sind diese Begriffe in den meisten Niedriglohnländern Fremdwörter.

Initiativen für die Verbesserung von Arbeitsbedingungen

Durch den medialen Druck der Öffentlichkeit waren viele der betroffenen Unternehmen im Zugzwang. Für die überlebenden Arbeiter und Arbeiterinnen des Rana-Plaza Gebäudes wurde ein Entschädigungsfonds errichtet. Dabei konnten mehr als 30 Millionen US-Dollar gesammelt und ausgezahlt werden. 

Außerdem sorgte dieser Unfall dafür, dass sich viele westliche Textilunternehmen für eine bessere Überwachung der Produktionsketten bereit erklärt haben und sich für bessere Arbeitsbedingungen und rechtliche Standards einsetzen.

Tatsächlich haben sich insbesondere in Bangladesch die Arbeitsbedingungen durch verschiedene Initiativen verbessert. Zum Beispiel wurden Sicherheits- und Gesundheitsstandards verpflichtend eingeführt und auch der Mindestlohn wurde angepasst.

Heute liegt der Mindestlohn für Näherinnen bei knapp 60 Euro im Monat

Sumangali – moderne Zwangsarbeit in indischen Spinnereien 

Ein weiteres Beispiel für grauenhafte Arbeitsbedingungen ist die Arbeit in indischen Spinnereien! Frauen in Entwicklungsländern gelten als besonders hörig und sind durch ihre schwierigen Lebensumstände leicht auszunutzen.

Im indischen Bundesstaat Tamil Nadu hat es aus diesem Grund ein System der modernen Sklaverei zu trauriger Bekanntheit gebracht: das Sumangali-System.

Übersetzt bedeutet Sumangali “die glückliche Braut”

Es ist Tradition, dass bei einer Hochzeit die Mitgift oder der Brautpreis von der Familie der Braut an die des Bräutigams gezahlt wird. Besonders auf dem Land leben die Menschen unter ärmsten Verhältnissen und die zu erwartende Mitgift belastet die Familien stark. 

Diese Notsituation machen sich Arbeitsvermittler zum Vorteil. Im Auftrag von Spinnereien ziehen sie durch die Dörfer und werben bei den Familien mit guten Arbeitsbedingungen bei hohen Verdiensten und festen Arbeitsverträgen.

Arbeitsbedingungen in Indien - Sumangali

Unwürdige Arbeitsbedingungen der Sumangali

Pro Frau erhalten diese Vermittler Summen von umgerechnet etwa 12 Euro. Um die Eltern der Mädchen zu überzeugen, versprechen die Vermittler ihnen eine gut bezahlte Beschäftigung, geregelte Arbeitszeiten, Verpflegung und Unterbringung, sowie Optionen für Aus- und Weiterbildungen. 

Die tatsächlichen Arbeitsbedingungen vor Ort sind allerdings meist weit entfernt von dem, was den Familien versprochen wurde. Arbeitstage haben nicht wie vereinbart acht, sondern 12 Stunden, auch Nachtschichten sind normal. Weiterführende Bildungsangebote gibt es nicht, auch nicht die versprochenen Arbeitsverträge. 

Den jungen Frauen werden extrem niedrige Löhne (zwischen 20€ und 50€ im Monat) gezahlt, die versprochenen Unterkünfte sowie Verpflegung wird direkt von ihrem Lohn abgezogen. Die Unterkünfte gehören häufig den Fabrikbesitzern, das Fabrikgelände darf oftmals nicht ohne Begleitung verlassen werden und auch der Kontakt zu den Familien ist nur über Betriebstelefone möglich. 

Arbeitsbedingungen in Indien der Frauen

Die Arbeiterinnen verpflichten sich für zwei bis drei Jahre, nach Ende der Beschäftigungszeit wird ihnen eine Abfindung versprochen. Da viele allerdings aus körperlichen und gesundheitlichen Gründen die Arbeit vorzeitig beenden müssen, wird ihnen dieser Betrag häufig nicht ausgezahlt. 

Zu gesundheitlichen Problemen führen zum Beispiel nicht vorhandene Abluftsysteme. Die Arbeiterinnen atmen Baumwollfasern ein, die sich in Lunge, Magen und Darm ansammeln. Ebenfalls liegen Diskriminierung, Beleidigungen und sexuelle Übergriffe an der Tagesordnung. 

Über 1000 Spinnereien sind in Tamil Nadu ansässig, der Bundesstaat ist der größte Produzent von Baumwollgarnen in ganz Indien. Es ist anzunehmen, dass jedes in Indien produzierte Kleidungsstück mit Garnen gefertigt ist, welche in Fabriken unter widrigen Arbeitsbedingungen und Zwangsarbeit entstanden sind. 

Zwar werden Kontrollen gefordert und auch durchgeführt, diese Audits finden aber selten ohne Anmeldung an und so haben die Fabrikbesitzer Zeit, ihre Mitarbeiter – oftmals unter Androhungen von Sanktionen – hinsichtlich ihrer Aussagen zu steuern und für die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften in ihren Fabriken bis zum Zeitpunkt des Audits zu sorgen.

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